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Hans-Heino Ewers

Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. Eine problemgeschichtliche Skizze.

 

1.Die Identifizierung der Kinder- und Jugendliteratur mit kind- bzw. jugendgemaesser Literatur fuehrte zu der bis in die 70er Jahre herrschenden Lehrmeinung, dass erst ab der zweiten Haelfte des 18. Jahrhunderts von einer Kinder- und Jugendliteratur im eigentlichen Sinne die Rede sein koenne, dass es sich bei ihr also um eine Schoepfung des aufgeklaerten, des paedagogischen Jahrhunderts handele. Es bedurfte nicht zuletzt einer kritischen Revision der eigenen Begrifflichkeit, um die Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur in ihrem ganzen Umfang wahrnehmen zu koennen. Denn die Kinder- und Jugendliteratur der fruehen Neuzeit, deren Spuren sich teilweise bis ins Mittelalter zurueckverfolgen lassen, unterscheidet sich grundlegend von ihrer Auspraegung in der Moderne. Dies haengt damit zusammen, dass Kindheit und Jugend nicht als eigenstaendige Lebensabschnitte begriffen wurden. Das Kind war "definiert als Nicht-Erwachsener, der auf den Status des Erwachsenseins und auf den Stand, den es spaeter im Leben einzunehmen hatte, hin erzogen werden sollte". "Daher bietet", so weiter Otto Brunken, "die Kinder- und Jugendliteratur dieser Zeit nahezu ausschliesslich Modelle fuer kuenftiges Rollenverhalten in Familie und Gesellschaft, nicht aber altersbezogene Verhaltensmuster fuer die konkrete gesellschaftliche Erfahrung von Kindern und Jugendlichen." Die fruehe Neuzeit steht ganz also im Zeichen einer Wesensbestimmung von Kinder- und Jugendliteratur als Enkulturations- bzw. Sozialisationsliteratur. Von den mannigfaltigen Funktionen der fruehen Kinder- und Jugendliteratur ist an erster Stelle die der religioesen Erziehung und Belehrung zu nennen. In deren Zentrum steht das Vertrautmachen mit der Heiligen Schrift (Bibelauszuege; Historienbibeln, d.h. Nacherzaehlungen der biblischen Geschichten; Bilderbibeln; Spruchbuecher u.dgl.m.), gefolgt von der Religionslehre in zumeist konfessionellem Sinn (elementare, "kleine" Katechismen, Bilderkatechismen, Katechismuslieder etc.) und der religioesen Erbauung ("Der Seelentrost", um 1350). Sodann geht es um die Vermittlung ethischer Wertvorstellungen und standesspezifischer Verhaltensnormen (Lebensregeln und -maximen, Tugendlehren, Standeslehren, Klugheits- und Anstandsregeln, Lehrgespraeche, elterliche Raete und Vermaechtnisse; vgl. als erste volkssprachliche Erziehungslehre "Der Winsbecke", fuer Maedchen die "Winsbeckin", zw. 1210 und 1220). Eine weitere Aufgabe der fruehen Kinder- und Jugendliteratur ist die Unterweisung im richtigen und hoeflichen Benehmen (Zucht- und Sittenbuecher, Anstands­lehren, Tischzuchten, Komplimentierbuecher etc.; eine erste deutsche Anstandsunterweisung in "Der welhsche Gast" von Thomasin von Zerklaere, 1215; von zentraler Bedeutung ist das Buch "De civilitate morum puerilium" des Erasmus von Rotterdam, 1530, dt.1531 u. d. T. "Zuechtiger Sitten/ zierlichen Wandels/ und hoefflicher Geberden der Jugent"). Einen hohen Stellenwert nimmt die rhetorische Ausbildung ein, was sich in einer Fuelle rhetorischer Schriften fuer Kinder und Jugendliche niederschlaegt (Klassikerausgaben, Lehrwerke der Rhetorik, sodann das weite Feld der Schuelergespraeche - beispielsweise die "Colloquia familiaria" des Erasmus, 1518-1533 – und die Schuldramen). Schliesslich geht es der fruehen Kinder- und Jugendliteratur um die Vermittlung von Wissen und Weltkenntnis, um sachliche Belehrung also, was zur Ausbildung einer Vielzahl von Elementar- und Lehrbuchgattungen fuehrt (aus der Fuelle herausragend der "Orbis sensualium pictus [...] Die sichtbare Welt. Das ist, Aller vornehmsten Welt=Dinge und Lebens=Verrichtungen, Vorbildung und Benahmung" des Johann Amos Comenius, 1658).

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2. Als die epochale Zaesur, die die fruehe von der modernen Kinderliteratur trennt - vorrangig um Kinderliteratur soll es im folgenden gehen -, darf das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts, die Zeit der Spaetaufklaerung, gelten. Die (europaeische) Aufklaerung haelt in ihrer anfaenglichen und mittleren Phase an der traditionellen Wesensbestimmung von Kinder- und Jugendliteratur als Sozialisationsliteratur fest, und auch das aufstrebende Buergertum, in Erziehungsdingen streng utilitaristisch gesonnen, nimmt mit den ueberkommenen lehrhaften Literaturformen vorlieb, die es lediglich auf den eigenen Wertekanon ausrichtet. Dennoch tritt beispielsweise in John Lockes einflussreichen "Some Thoughts Concerning Education" von 1693 schon die Forderung nach einer gewissen Kindgemaessheit der fuer das Kind bestimmten Literatur auf; Locke fordert "leichte, vergnuegliche Buecher, die seinen Faehigkeiten angemessen sind", und haelt Aesops Fabeln am geeignetsten. Die hier ins Auge gefassten Anpassungen an die besondere Natur des Kindes beschraenken sich freilich auf die Darbietungsformen, die Art und Weise der Wissensvermittlung, die spielerisch und anschaulich (mittels verstaerkter erzaehlerischer Einkleidung) sein sollen.

Im Verlauf des 18. Jahrhundert wird die paedagogische Intelligenz zum Motor eines Bewusstseinswandels, den man als die "Entdeckung der Kindheit" bezeichnet und der in Jean Jacques Rousseaus "Emile ou sur l'éducation" von 1762 sein ueberragendes Manifest gefunden hat. Rousseaus revolutionaere Kindheitsphilosophie wurde bereits in den 70er Jahren von den deutschen Erziehungsschriftstellern, den sog. Philanthropen, rezipiert und zum Ausgangspunkt einer einschneidenden Kinderliteraturreform gemacht. Dieser Reform liegt die Rousseausche Auffassung zugrunde, dass die Kindheit eine qualitativ eigenstaendige Existenzform des Menschen darstellt, von der aus sich die gaenzlich andersgeartete Welt der Erwachsenen als etwas vollkommen Unbegreifliches ausnimmt. Kinder jetzt schon mit Wissen und Kenntnissen ueber diese Welt auszustatten, ist demnach ein sinnloses Unterfangen; es erbraechte nur ein leeres Wortwissen. Fuer die Kinderliteratur ergibt sich hieraus ein geradezu vollstaendiger Austausch der Themen und Inhalte: Sie hat sich fortan auf die Darstellung kindlicher Lebenswelten zu konzentrieren. "Wozu dem Kind eine Lehre, welche nur Erwachsene angeht?", so fragt Joachim Heinrich Campe 1779 und fordert, dass sich die Kinderli­teratur nicht nur nach der "Fassungskraft", sondern auch nach den aktuellen "sittlichen Beduerfnissen des Kindes" zu richten habe.

Die hier erstmals dem Sinn nach proklamierte thematische Konzentration auf kindliche Lebenswelten stellt sich im historischen Rueckblick als eines der zentralen Merkmale moderner Kinderliteratur heraus. Sie bringt fuer die Kinderliteratur einen Schub der Verselbstaendigung und Isolation mit sich. In vorphilanthropischer Zeit besass sie eher den Charakter einer allgemeinen Anfaengerliteratur; bezeichnend dafuer waren die haeufig anzutreffenden Mehrfachadressierungen an ganz unterschiedliche Kreise ungebildeter Personen oder Schichten. Mit der Massgabe, nunmehr in erster Linie von Kindern und deren aktuellen Erlebnissen zu handeln, wird aus der Kinderliteratur eine ausschliesslich an Kinder gerichtete Anfaengerliteratur. So sehr dies eine durchaus wohltuende stoffliche Entruempelung bewirkt - im Zeitalter des Enzyklopaedismus war der Bildungsballast in den Kinderbuechern geradezu erdrueckend -, so sehr bedeutet es gleichzeitig eine thematische Verarmung dieses Literaturzweiges. Die Schuld an dieser Verarmung hat man spaeter den philanthropischen Kinderliteraturreformern, den vermeintlichen Erfindern der spaeter so ge­nannten "spezifischen Kinderliteratur", zugeschrieben, die Verarmung selbst lediglich als Ausfluss falscher Vorstellungen und damit als prinzipiell vermeidbar angesehen. Aus heutiger Sicht stellt sich dies eher als Reflex einer objektiven gesellschaftlichen Veraenderung dar, der zunehmenden Verselbstaendigung und Aussonderung naemlich des realen kindlichen Lebensraumes, die als Teil des umfassenden gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses anzusehen sind. Die philanthropische Kinderliteraturreform darf man unter dieser Praemisse als eine kulturelle Modernisierung bezeichnen. Derlei Ausdifferenzierungen gesellschaftlicher Teilbereiche gehen generell mit einer Einschraenkung des Erfahrungshorizontes, der Moeglichkeiten der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einher.

Die Kindheit gilt Rousseau darueber hinaus als eine Daseinsweise, die nur aus sich selbst heraus, d.h. vom Standpunkt des Kindes begriffen und beurteilt werden kann und darf. Die Konsequenz hieraus lautet: Es kann gegenueber dem Kind auf Seiten des Erwachsenen keinerlei legitime Autoritaet geben; jede direkte, jede autoritaere Erziehung ist als verfehlt anzusehen. Hinsichtlich der Kinderliteratur ist damit nicht nur eine Beschraenkung auf Themen der kindlichen Lebenswelt verlangt, sondern auch die Anerkennung der kindlichen Lebenswelt als eines ganz und gar autonomen Daseinsbereiches. Eine in Rousseauschem Geist reformierte, moderne Kinderliteratur muesste demnach zugleich antiautoritaere Kinderliteratur sein. In der traditionellen Auffassung kinderliterarischer Kommunikation erscheint der kindliche Rezipient nicht als Traeger zu respektierender eigener Werte und Geschmacksvorstellungen; Kinderliteratur dient nach dieser Sicht vielmehr der Uebermittlung und Implantierung von Normen, wobei es sich stets um Vorgaben seitens der Erwachsenen handelt. Vom rousseauistischen Standpunkt aus waere die traditionelle als autoritaere Kinderliteratur zu qualifizieren. Eine antiautoritaere Kinderliteratur haette demgegenueber kindliche Erfahrungsweisen und Lebenswelten in ihrer Unabhaengigkeit von den Erwartungen und Wertvorstellungen der Erwachsenenwelt zu thematisieren, in besonderen Faellen gar in offener Konfrontation mit diesen. Sie koennte damit nicht laenger den Zweck erfuellen, der traditionell fuer alle Kinderliteratur als grundlegend erachtet worden ist - den naemlich der Vermittlung der zivilisatorischen Standards, der Verhaltensregeln und moralischen Werte, die in der Welt der Erwachsenen Gueltigkeit besitzen. In der antiautoritaeren Kinderliteratur kaeme es auf den moeglichst unverstellten Ausdruck der jeweiligen kindlichen Befindlichkeit, des kindlichen Fuehlens, Erlebens und Wahrnehmens an - und zwar ganz ohne Ruecksicht darauf, wie einseitig und "falsch", wie bedenklich und problematisch sich diese Subjektivitaet des Kindes in den Augen der Erwachsenen bzw. der Gesellschaft ausnehmen mag.

So sehr in den Fruehstadien gesellschaftlicher Modernisierung in Deutschland auch die Idee einer reformierten, modernen Kinderliteratur der Kindheitsautonomie schon greifbar ist, so langwierig und zerklueftet gestaltet sich der Prozess ihrer Verwirklichung und Durchsetzung. Es bedarf einer Vielzahl wiederholter, im Grundtenor gleichlautender kinderliterarischer Reformanstrengungen, ehe Mitte des 20. Jahrhunderts die moderne, die "neue" Kinderliteratur auf breitere gesellschaftliche Akzeptanz stoesst und zur herrschenden Richtung wird. Die beiden Grundideen der Kinderliteraturreform setzen sich hierbei auf hoechst unterschiedliche Weise durch. Die zunehmende Ausdifferenzierung von Kindheit und familiaerem Binnenraum im oberen, dann auch im mittleren Buergertum bewirkt bereits im ausgehenden 18., fruehen 19. Jahrhundert die Anbindung eines wachsenden Teils der Kinderliteratur an den eingeschraenkten kindlichen Erfahrungshorizont. In zunehmendem Masse tritt einem in den modernen Kinderbuechern dieser Zeit eine aus dem gesellschaftlichen Leben herausgeloeste, gegen aeussere Einfluesse abgeschirmte kindliche Lebenswelt entgegen. In dieser haben freilich weiterhin erwachsene Autoritaetspersonen das Sagen, die als Vaeter, Muetter, (Haus-)Lehrer, Gouvernanten etc. der separierten kindlichen Lebenswelt angehoeren. Letztere wird hier aufgefasst als ein von paedagogischen Autoritaeten errichteter und beaufsichtigter Lebensraum, als paedagogische Provinz.

In Joachim Heinrich Campes "Robinson der Juengere" (1779/80) wird die Anbindung der Kinderliteratur an den kindlichen Erfahrungshorizont auf vorbildhafte und zugleich spektakulaere Weise realisiert. Es handelt sich nicht mehr um eine Bearbeitung, sondern um eine Travestie: die seltsamen Abenteuer eines Mannes werden zu einer Jugendgeschichte umgeformt. Die Erzaehlrunde der Rahmenhandlung mit dem Vater als Erzaehler und moralischer Autoritaet darf als Musterfall einer paedagogischen Provinz im Sinne der Spaetaufklaerung gelten. Zuvor schon hatte Johann Gottlieb Schummel in "Kinderspiele und Gespraeche" (1776-78) diese Provinz als eine des freilich lehrhaften, nuetzlichen Spieles bestimmt. Vergleichbares gilt fuer die Kinderwelt, wie sie in der Rahmenhandlung von Christian Felix Weisses Kinderzeitschrift "Der Kinderfreund" (1776-82) entworfen wird; auch hier spielen Gesellschafts- und Schauspiele eine hervorragende Rolle (1792 separat erschienen). In Christian Gotthilf Salzmanns erzaehlendem "Moralischen Elementarbuch" (1782) dagegen sucht der Vater mit seinen Kindern bisweilen gesellschaftliche Schauplaetze ausserhalb des kindlichen bzw. familiaeren Binnenraums auf. Die thematische Einschraenkung der Kinderliteratur auf die Kindheit und deren Erfahrungshorizont stoesst denn auch auf Vorbehalte. Als Gegenstueck zu Campes Robinson-Travestie hat Johann Karl Wezel seinen fuer die Jugend gedachten "Robinson Krusoe" (ebenfalls 1779/80) konzipiert, der eine Geschichte von Erwachsenen bleibt und thematisch weit ueber den Horizont der jungen Leser hinausgreift. Generell bleibt die Kinderliteratur in Deutschland seit der philanthropischen Reform gespalten: Ein gewichtiger Teil beharrt darauf, dass sich Figuren welchen Alters auch immer als Vorbilder eignen, und bietet statt der "neuen" Kindergeschichten weiterhin moralische Erzaehlungen von Maennern und Frauen untadeligen Wandels. In besonderem Masse gilt dies - und zwar bis hinein ins 20. Jahrhundert - fuer die katholische Kinderliteratur des sueddeutschen Raumes, die in Christoph von Schmid ("Genovefa", 1810; "Die Ostereyer", 1812; "Rosa von Tannenburg", 1823, u.a.) ihren wohl bedeutendsten Repraesentanten besitzt.

Die Beherzigung der anderen Grundidee der Kinderliteraturreform der Moderne hiesse, den verselbstaendigten kindlichen Lebensraum als Reich kindlicher Freiheit anzusehen, diesen als einen von den Kindern selbst eroberten Freiraum zu respektieren. Zutritt haette der Erwachsene auch jetzt noch - allerdings nicht mehr als Autoritaetsperson. In der Autoritaetsfrage verweigern die Philanthropen Rousseau die Gefolgschaft, und so entbehrt die von ihnen initiierte Kinderliteratur des antiautoritaeren Elements. Dennoch wartet das spaete 18. Jahrhundert mit dem ersten antiautoritaeren Kinderbuch deutscher Sprache auf. Die Rede ist von einer weitgehend in Vergessenheit geratenen Gedichtsammlung fuer Kinder - lediglich das von Mozart vertonte Lied "Komm, lieber Mai, und mache/die Baeume wieder gruen" hat sich gehalten -, die 1781 unter dem Titel "Fritzchens Lieder" erschienen ist, und deren Verfasser, Christian Adolf Overbeck, zeitweilig zur Dichtergruppe des "Goettinger Hain" zaehlte. Die kurze Vorrede darf als das erste deutsche Manifest antiautoritaerer Kinderliteratur angesehen werden. Mit einigem Selbstbewusstsein verkuendet der Verfasser, "dass dies die ersten Kinderlieder unter uns sind", nachdem es, so muss man ergaenzen, bislang nur sichtbar vom Erwachsenenstandpunkt aus formulierte lyrische Texte fuer Kinder gegeben habe. Sodann folgt der Kernsatz: "Hier spricht, wenn ichs gut gemacht habe, wirklich ein Kind." Fritzchen ist dabei alles andere als eine kindliche Vorbildfigur, der nachzueifern waere: "Mein Fritzchen - es waere besser, wenn er Engel haette seyn koennen: aber er ist nun mal ein Menschenkind. So lieb ihn auch mancher Leser einst ge­winnen mag, so muss ich dem Leser doch sagen, dass er zum Ideal fuer die Kleinen nicht taugt."

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3. Im Unterschied zu seiner Kindheitslehre hat Rousseaus nicht minder provokante Auffassung des Juenglingsalters zumindest auf die offizielle Jugendliteratur des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts keinerlei Wirkung gezeitigt. Es blieb der Erwachsenenliteratur vorbehalten, der neuen, gestreckten Adoleszenz und der damit gegebenen Chance einer autonomen Identitaetsbildung (die Moeglichkeit des Scheiterns eingeschlossen) literarisch Ausdruck zu verleihen. Zu denken waere hier an den "Werther", den "Anton Reiser", den "Wilhelm Meister", den "Sternbald" oder andere romantische Kuenstlerromane, im 19. Jahrhundert an den "Gruenen Heinrich" oder den "Nachsommer". Es gibt Zeugnisse dafuer, dass der "Werther" d i e Jugendlektuere des ausgehenden 18. Jahrhunderts gewesen ist; in den Augen der Literaturpaedagogen der Zeit geriet er zum Inbegriff jugendgefaehrdender Romanlektuere. Der altbekannte Vorbehalt gegen die schoene Literatur lebt auf jugendliteraturpaedagogischer Ebene fort und verhindert die Herausbildung einer modernen Jugendbelletristik. Als sanktionierte Jugendliteratur kennt die Spaetaufklaerung auf der einen Seite moralische Lehrwerke, zumeist in der traditionsreichen Form des Elterlichen Vermaechtnisses (J. H. Campe: "Theophron, oder der erfahrene Rathgeber fuer die unerfahrene Jugend", 1783, und "Vaeterlicher Rath fuer meine Tochter", 1789), sowie Verhaltenslehren und Klugheitsregeln (John Truslers "Anfangsgruende der feinen Lebensart und Weltkenntniss", uebersetzt von K. Ph. Moritz, 1799), auf der anderen Seite die ueberaus zahlreichen Reisebeschreibungen der Zeit (Campes 18teilige "Sammlung interessanter und durchgaengig zweckmaessig abgefasster Reisebeschreibungen fuer die Jugend", 1785-93).

Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts bildet sich eine, nach Geschlechtern getrennte Jugendbelletristik groesseren Umfangs heraus. Charakteristisch fuer diese ist die Konservierung von Erzaehlmustern, die auf der Ebene der Unterhaltungsliteratur fuer Erwachsene ausser Mode geraten sind. Bezueglich der belletristischen Maedchenliteratur Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts handelt es sich um die aus dem 18. Jahrhundert stammenden moraldidaktischen und empfindsam-sentimentalen Erzaehlmuster, ehe sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts der psychologisch subtilere, insofern modernere sogenannte "Bachfischroman" herausbildet (Clementine Helm: "Backfischchens Leiden und Freuden", 1863; Emmy von Rhoden: "Der Trotzkopf. Eine Pensionsgeschichte fuer erwachsene Maedchen", 1885; Henny Koch: "Papas Junge", 1900). Als Literatur fuer maennliche Jugendliche haelt sich die ebenfalls dem 18. Jahrhundert entstammende didaktische Abenteuerliteratur, bei der es sich vorwiegend um Robinsonaden handelt (Heinrich Laubes Uebersetzung von Frederick Marryats "Masterman Ready" unter dem Titel "Sigismund Ruestig", 1843), ehe sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auch auf dieser Ebene eine Abenteuerliteratur neuerer Art durchsetzt, wie sie auf erwachsenenliterarischer Ebene bereits in den 20er, 30er Jahren durch Autoren wie J. F. Cooper, F. Gerstaecker und Ch. Sealsfield zum Erfolg gelangt ist (S. Woerishofer: "Robert des Schiffjungen Fahrten und Abenteuer", 1877; F. J. Pajeken: "Bob der Fallensteller", 1890; Karl May: "Der Schatz im Silbersee", 1891). Bis weit hinein ins 20. Jahrhundert bleibt die spezifische Jugendliteratur fuer beiderlei Geschlecht weitgehend traditionalen, vormodernen literarischen Mustern verhaftet. Dem entspricht es, dass sie sich so gut wie gar nicht auf das Jugendkonzept der Moderne einlaesst. Die literarische Gestaltung der modernen, gestreckten Adoleszenz, die ihrem Wesen nach einen aeusserst krisenhaften Abloesungs- und Selbstfindungsprozess darstellt, bleibt auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch der Erwachsenenliteratur vorbehalten (E. Strauss: "Freund Hein", 1902; H. Hesse: "Unterm Rad", 1906; R. Musil: "Die Verwirrungen des Zoeglings Toerless", 1906). Das Jugendkonzept der Moderne ist auch zu diesem Zeitpunkt noch ein auf maennliche Jugendliche oberer Schichten eingegrenztes Phaenomen und auch hier weit davon entfernt, entwicklungspsychologisch als Normalfall zu gelten. Die an traditionalen Jugendkonzepten orientierte spezifische Jugendliteratur darf insofern als Widerspiegelung gesellschaftlicher Normalitaet angesehen werden. Die Abfolge von Reformbemuehungen, wie sie fuer die Kinderliteratur seit dem spaeten 18. Jahrhundert charakteristisch ist, sucht man in der Geschichte der Jugendliteratur bis in die 60er, 70er Jahre unseres Jahrhunderts vergeblich.

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4. Die Rolle, die die Romantik bei der Durchsetzung einer "neuen", modernen Kinderliteratur gespielt hat, ist zwiespaeltig. Hinsichtlich ihrer ideologischen Grundpositionen gehoert sie zu den entschiedenen Verteidigern der Kindheitsautonomie. Auch fuer sie gilt, dass alle an Kinder gerichtete Literatur kindgemaess, d. h von wahrhaft kindlicher Geistesart zu sein habe. Die romantische Einschraenkung auf kindliche Poesie ist freilich nicht identisch mit der von den Philanthropen eingefuehrten Zentrierung der Kinderliteratur auf Kinderweltliches. Fuer die Romantiker ist das, was sich innerhalb der modernen Gesellschaft als ein separierter, autonomer Kindheitsbereich darstellt, in Wahrheit nur das Relikt eines vergangenen Weltzustandes, einer Stufe der Menschheitsentwicklung, die noch keinerlei Dissoziation der Lebensalter kannte, auf der Kinder und Erwachsene noch von ein und derselben - aus heutiger Sicht kindlichen - Geistesart waren. Auf Kinder sich einstellen muss deshalb fuer den modernen Erwachsenen heissen, die Vergangenheit inszenieren, die das Kind seinem Wesen nach verkoerpert; es heisst in kinderliterarischer Hinsicht, ihnen allein die poetischen Formen darbieten, die dieser Vergangenheit entstammen, nur auf "aeltere Poesie" also zurueckgreifen. Die Romantik erklaert die ueberlieferte nationale Folklore - und zwar in moeglichst unveraenderter, unbearbeiteter Gestalt - zur einzig legitimen Kinderliteratur, waehrend sie die moderne Kinderliteratur, wie sie aus der philanthropischen Reform hervorgegangen ist, gaenzlich aus den Kinderhaenden verbannt wissen moechte.

Diese Position hat ihre wohl prominenteste Umsetzung in den "Kinder- und Hausmaerchen" (1812/15) der Brueder Grimm erfahren. Die anfaengliche, insbesondere von Jakob Grimm vertretene Position, nach der allein eine selbst auf verbuergte Weise der Vergangenheit entstammende Poesie Kindern gemaess sein koenne, ihnen also nur Reime, Maerchen, Sagen, Schwaenke etc. von nachweisbar hohem Alter dargereicht werden sollten, weicht dabei recht bald auf; die poetischen "Denkmaeler der Vergangenheit" bleiben, so die Erfahrung, ohne nachhaltige Bearbeitung den Kindern des buergerlichen Zeitalters fremd. Die Romantiker halten allerdings daran fest, dass eine der kindlichen Geistesart angemessene Kinderliteratur von vorbuergerlicher Vergangenheit, von sei es mythischer, sei es christlich mittelalterlicher oder fruehneuzeitlicher Welt zu handeln habe. Hieran schliesst sich die Forderung an, dies, wenn schon nicht mittels alter Poesie, dann wenigstens in ihrer Formensprache, unter Verwendung ihrer Gattungen zu bewerkstelligen, zu Kindern also in Form und Stil der alten Volksdichtung zu sprechen. Von dieser Massgabe wird im Laufe des 19. Jahrhunderts jedoch mehr und mehr abgerueckt; vornehmlich in der Literatur fuer aeltere, nicht mehr dem "Maerchen-", sondern dem "Sagenalter" angehoerige Kinder werden im Verlauf des 19. Jahrhunderts moderne Formen epischer Vergegenwaertigung von Vergangenheit aufgegriffen. An die Stelle der Sagensammlungen im Gefolge der Grimmschen "Deutschen Sagen" (1816-18) treten ab der Jahrhundertmitte (kultur-)historische Erzaehlungen und historische Romane "fuer die Jugend" (Oskar Hoecker: "Das Ahnenschloss", 1879-81). Die vergangenen Zeitabschnitte gelten dabei nicht mehr wie zu Beginn des Jahrhunderts als ein idealer, der Gegenwart ueberlegener Menschheitszustand; das Zeitalter des Nationalismus erblickt im Vergangenen nur noch die Vorgeschichte der gegenwaertigen Bluetezeit der eigenen Nation. Die Aufweichung des Grimmschen Kinderliteraturprogramms foerdert zu Tage, dass wir es hier in Wahrheit mit einer modernen Konstruktion von Kindheit als Vergangenheit zu tun haben.

Dass von Vergangenem poetisch auf zeitgemaesse Weise zu handeln sei, bildet die Grundannahme aller literarischen Maerchendichtung der Romantik. Diese tritt von Beginn an als eine Altes und Modernes mischende Dichtungsart auf und wird als solche von Achim von Arnim brieflich gegenueber den Bruedern Grimm verteidigt. Liegt in Clemens Brentanos sogenannten "Italienischen Maerchen", einer Bearbeitung einzelner Maerchen G. B. Basiles "fuer deutsche Kinder" (zwischen 1805 und 1811; erste kinderliterarische Edition des "Myrthenfraeuleins" 1830), das moderne Element in der Erzaehlweise, so geht Ludwig Tieck dazu ueber, dem Maerchen eine moderne Thematik zu unterlegen. In "Die Elfen" aus dem ersten Band des "Phantasus" (1812; erste kinderliterarische Edition 1822) spitzt Tieck das im Volksmaerchen unproblematische Nebeneinander von Diesseits- und Jenseitswelt zu einem Antagonismus zu und verwandelt das Maerchen in eine allegorische Dichtung, die einen Gegensatz des modernen Lebens, den Gegensatz zwischen erwachsener aufgeklaerter Rationalitaet und kindlichem Wundersinn, zum Ausdruck bringt. Zusammen mit E.T.A. Hoffmanns Elfenmaerchen "Das fremde Kind" (1817) stellt Tiecks Maerchen den Beginn einer Tradition moderner kinderliterarischer Maerchendichtung dar, die thematisch auf den Gegensatz von Kindheit und Gesellschaft zielt.

In E.T.A. Hoffmanns Kindermaerchen "Nussknacker und Mausekoenig" (1816) tritt an die Stelle der maerchenhaften Diesseitswelt die realistisch dargestellte moderne Wirklichkeit, an die des kindlichen Maerchenhelden eine psychologisch-realistisch gezeichnete Kinderfigur. Deren fortlebender Wunderglaube bleibt solange un­befriedigt, bis sich die Erlebnismoeglichkeit einer zweiten, einer jenseitigen Welt ergibt. Im voruebergehenden Aufenthalt in einer solchen Jenseitswelt bzw. im zeitweiligen Zusammensein mit einer Jenseitsgestalt im Diesseits sind all die Einschraenkungen und Begrenzungen aufgehoben, denen die kindliche Phantasie, insbesondere der kindliche Wundersinn, im modernen Alltagsleben unterworfen sind. E.T.A. Hoffmann macht das Kind zum Bewohner zweier Welten und gibt damit dessen prekaerer Situation, in eine seiner Geistesart entgegengesetzte Welt hineingepflanzt zu sein, einen literarisch praezisen Ausdruck. Den kindlichen Lesern wird damit ermoeglicht, ihren Realitaetssinn zu schaerfen, ohne das gleichzeitig vorhandene Vergnuegen am Unwahrscheinlichen, am Phantastischen unterdruecken zu muessen. Mit seinem Kindermaerchen vom "Nussknacker und Mausekoenig" (1816), wird E.T.A. Hoffmann zum Begruender der phantastischen Kindererzaehlung, einer Gattung, die im 19. Jahrhundert vorwiegend ausserhalb Deutschlands gepflegt wird - in erster Linie von H. Chr. Andersen ("Die Blumen der kleinen Ida") -, die aber erst im viktorianischen England einen wirklichen Aufschwung erlebt (Lewis Carroll: "Alices Adventures in Wonderland", 1865; George MacDonald: "At the Back of the Northwind", 1868-69; Edith Nesbit: "The Psammead", 1901; "The magic city", 1910).

Die romantische Kinderliteraturreform hat also auf der einen Seite den Anteil traditionaler Formen und Gattungen an der Kinderliteratur erweitert. Wir haben es hier allerdings mit einer kinderliterarischen Traditionalitaet zu tun, die der Modernisierungsprozess allererst hervorgebracht hat: Volksmaerchen, Sagen Volksbuecher etc. werden erst in der Moderne zu sanktionierter Kinderliteratur. Dass deren kinderliterarische Verwendung eine Modernisierungsfolge darstellt, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass diese sich im Unterschied zu den kinderliterarisch ueberkommenen vormodernen Gattungen bis auf den heutigen Tag gehalten haben. Auf der anderen Seite hat die Romantik die Kinderliteratur um zwei moderne kinderliterarische Gattungen bereichert: zum einen um das moderne literarische Kindermaerchen, das sich ueber G. v. Bassewitz' "Peterchens Mondfahrt" (1911) bis hin zu Otfried Preusslers "Kleiner Hexe" (1957) und Michael Endes "Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivfuehrer" (1960) erstreckt; zum anderen um die phantastische Kindererzaehlung, die auch im 20. Jahrhundert noch im englischsprachigen und nun auch im skandinavischen Raum (Astrid Lindgren, Maria Gripe) ihre gueltigste Auspraegung erfahren wird. Diese beiden Gattungen haben mit den aus dem spaeten 18. Jahrhundert stammenden Formen moderner Kinderliteratur die Thematik gemeinsam – das Kinderleben naemlich unter den Bedingungen der Moderne.

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5. Die Zeit der Jahrhundertwende, zugleich erste Epoche der reformpaedagogischen Bewegung, ist durch einen erneuten kinderliterarischen Modernisierungsschub gekennzeichnet, der am markantesten zunaechst auf kinderlyrischem Gebiet hervortritt. In der Kinderlyrik von Richard und Paula Dehmel stoesst man auf eine unmittelbare, ja impulsive, ganz und gar unzensierte, gleichzeitig aber vorbehaltlos ernst genommene lyrische Selbstaussprache eines kindlichen Ich, das sich auch in seinen bedenklichen Seiten, seiner Grausamkeit, seinem Sadismus, ausdruecken darf. In der Sammlung "Fitzebutze" von 1900 haben wir es mit einer radikal antiautoritaeren Kinderlyrik zu tun. Vornehmlich mit Blick auf diese Kinderlyriksammlung ist von der zeitgenoessischen Kritik die Parole der "Dichtung vom Kinde aus" (W. Lottig, H. Wolgast) gepraegt worden. In Paula Dehmels "Singinens Geschichten" (1903; sep. 1921) tritt die moderne kindliche Ich-Erzaehlung auf den Plan, in der ein kindliches Ich zum Wahrnehmungs- und Wertungszentrum des Werkes erhoben wird, wobei keinerlei Relativierungen seitens einer erwachsenen Autoritaet erfolgen. Bei diesen Werken haben wir es mit konsequent moderner Kinderliteratur zu tun – und zwar sowohl hinsichtlich der Konzentration auf das kindliche Erleben wie bezueglich der im Kind angesiedelten Wertungsposition.

In den gleichzeitig entstehenden, teilweise von reformpaedagogisch engagierten Lehrern fuer den Schulgebrauch verfassten Gross­stadtskizzen und -geschichten fuer Kinder (Ilse Frappan: "Hamburger Bilder fuer Kinder", 1899; Fritz Gansberg: "Streifzuege durch die Welt der Grossstadtkinder", 1904; "Unsere Jungs. Ge­schichten fuer Stadtkinder", 1905; Heinrich Scharrelmann: "Ein kleiner Junge", 1908) kommt es zu einer neuartigen Mischung traditionaler und moderner Elemente. Der modernen Kinderliteratur sind sie durch ihre Respektierung der kindlichen Erlebnisperspektive wie teilweise auch der kindlichen Wertungsposition verpflichtet; hierin verstehen auch diese Texte sich als "Dichtung vom Kinde aus". Thematisch aber zielen sie in eine andere Richtung, intendieren sie eine Oeffnung der Kinderliteratur hin auf die Welt der Erwachsenen. Sie ruecken die Arbeitswelt, die Grossstadt, schliesslich auch die sozialen Verhaeltnisse in den Blick des Kindes. Literarisch gelingt dies am ehesten dort, wo sie von Arbeiter-, Handwerker- oder Angestelltenkindern handelt; in diesen unteren grossstaedtischen Sozialmilieus sind die Lebenswelten der Kinder von denen der Erwachsenen noch nicht in dem Masse geschieden, wie dies in den oberen gesellschaftlichen Schichten der Fall ist. Von der Vergegenwaertigung unterschichtstypischer Kindheitsmuster mit ihrer weitreichenden Teilhabe am Erwachsenenleben zehrt schliesslich der realistische, teilweise sozialkritische Kinderroman der Jahrhundertwende und der Weimarer Republik (Gustav Falke: "Drei gute Kameraden", 1908; Carl Dantz: "Peter Stoll", 1925; Wolf Durian: "Kai aus der Kiste", 1927; Erich Kaestner: "Emil und die Detektive", 1928, "Puenktchen und Anton", 1931; Lisa Tetzner: "Erwin und Paul", "Das Maedchen aus dem Vorderhaus", 1933). Gerade hierin aber ist das traditionale, vormoderne Element dieser Kinderliteratur zu sehen. Im kinderliterarischen Realismus des fruehen 20. Jahrhunderts kommt die vormoderne, traditionale Gemeinschaftlichkeit der Lebensalter, wie sie in den spaetstaendischen grossstaedtischen Unterschichtenkulturen noch anzutreffen ist, noch einmal auf eindrucksvolle Weise zur Darstellung.

Historisch gesehen sind diese offenen grossstaedtischen kindlichen Lebensraeume zum Untergang verurteilt. Im Zuge der ab Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzenden Ausweitung des Bildungswesens kommt es zu einer weitreichenden UEbernahme des bislang auf die Oberschichten begrenzten modernen Kindheitsmusters durch die unteren Mittel- wie durch grosse Teile der Unterschichten, deren Kinder nun an dem zeitlich ausgedehnten Bildungsangebot partizipieren. Der auf alle Schichten ausgedehnte Verschulungsprozess fuehrt zu einer Universalisierung von Kindheit im modernen Sinne. Der sozialkritischen Kinderliteratur des fruehen 20. Jahrhunderts, deren Geschichte 1933 in Deutschland ihren erzwungenen Abschluss findet, sind in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg die gesellschaftlichen Voraussetzungen entzogen. Die grossstaedtischen, strassenoeffentlichen Kindheitsraeume, das Einbezogensein der Kinder in das Erwachsenenleben, in die sozialen Konflikte und politischen Auseinandersetzungen, die gewissermassen das objektive Fundament der sozialkritischen (wie uebrigens auch der proletarischen) Kinderliteratur des fruehen 20. Jahrhunderts ausmachten, sind ab den 60er Jahren historisch geworden. Es setzt sich mit den spaeten 50er Jahren – mit dem Siegeszug bspw. von Astrid Lindgrens „Bullerbue“-Erzaehlungen – auf kinderliterarischem Gebiet eine erneute thematische Einschraenkung auf Kinderweltliches durch, wobei dies fuer die kindlichen Leser der nicht-buergerlichen Schichten historisch gesehen die erste Begegnung mit der literarischen Inszenierung einer autonomen Kinderwelt darstellt. Mit der Universalisierung von Kindheit im modernen buergerlichen Sinn, wie sie knapp zwei Jahrhunderte nach Rousseaus Proklamation der Kindheitsautonomie, zu beobachten ist, erfahren die philanthropische und die romantische Kinderliteraturreform im Grunde erst ihre gesellschaftliche Verallgemeinerung.

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6. Die Nachkriegszeit im westlichen deutschsprachigen Raum (bis Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre) darf als eine Bluetezeit moderner, auf Autonomisierung der Kindheit abzielender Kinderliteratur gelten. Erst jetzt scheint der in diesem Literaturbereich so beharrliche Traditionalismus besiegt zu sein. Es gewinnt eine Kinderliteratur die Oberhand, die die kindliche Erlebnisperspektive und Weltsicht in den Mittelpunkt rueckt, die kindlichen Wuenschen und Phantasien die Moeglichkeit gewaehrt, sich auszuleben, die antiautoritaer nicht in erster Linie dadurch ist, dass sie die Autoritaet der Erwachsenen in Frage stellt, sondern darin, dass sie bevormundungsfreie kindliche Spielraeume entwirft. Fuer die westdeutsche Kinderliteraturentwicklung praegend war die OEffnung fuer die entwicklungsmaessig vorausgeeilte moderne Kinderliteratur vor allem des englischen Sprachraums; es kommt zu einer breiten Rezeption vor allem der Klassiker der phantastischen Kinderliteratur (J. M. Barrie: "Peter Pan", 1904; Kenneth Graham: "The Wind in the Willows", 1908; Hugh Lofting: "Dr. Dolittle", 1920 ff.; A. A. Milne: "Winnie the Pooh", 1926; P. L. Travers: "Mary Poppins", 1934 ff; C. S. Lewis: Narnia-Erzaehlungen, 1950 f; Mary Norton: "The Borrowers"/ "Die Borgmaennchen", 1952 ff.; Pauline Clark: "The Twelve and the Genii"/ "Die Zwoelf vom Dachboden", 1962; Madeleine L'Engle: "A Wrinkle in Time"/ "Die Zeitfalte", 1962).

Nicht minder bedeutend ist der Einfluss der breit rezipierten skandinavischen Nachkriegsliteratur fuer Kinder, allen voran derjenige Astrid Lindgrens. Im Werk dieser schwedischen Autorin sind die verschiedenen Straenge moderner Kinderliteratur vereint. Auf der einen Seite der philanthropisch-reformpaedagogische, der sich in den Lindgrenschen Umweltgeschichten von der Art der "Kinder aus Bullerbue" (ab 1947, dt. 1954) niederschlaegt. Im Unterschied zu den Umweltgeschichten der Jahrhundertwende, die dem Kind die Grossstadt, die Industrie, die Arbeitswelt vor Augen fuehren, sind die Schauplaetze der Erzaehlungen Lindgrens nicht nur aufs Land, sondern in eine weniger historische, vielmehr poetische Vergangenheit verlegt. Man muss das Lindgrensche "Pferdezeitalter" als eine nach rueckwaerts projizierte Kindheitsutopie lesen, als die Nach-Aussen-Kehrung eines Inneren, des kindlichen Gemuets, seiner Begehren und seiner Wuensche. Praesent im Lindgrenschen Werk ist auf der anderen Seite der romantisch-phantastische Strang mit Titeln wie "Mio, mein Mio" (1954, dt. 1955) oder "Karlsson vom Dach" (1955, dt. 1956), die die englische kinderliterarische Tradition fortschreiben. Ausgangspunkt ist hier die problematische Situation des Kindes in der modernen Gesellschaft, die eine Behauptung der Autonomie von Kindheit nur noch auf eine phantastische Weise zulaesst. Es mag zu einem nicht unerheblichen Teil dem Einfluss Astrid Lindgrens zuzuschreiben sein, dass die (beachtenswerte) Kinderliteratur der Nachkriegsjahrzehnte sich auf breiter Front autoritaerer Zuege weitgehend entledigt hat – zum einen dadurch, dass sie die Kinderwelten in freier Selbstaendigkeit hervortreten laesst und mit weitgehender Unabhaengigkeit ausstattet, zum anderen dadurch, dass sie die positiven erwachsenen Randfiguren nicht als Autoritaetspersonen, sondern als Partner der Kinder gestaltet. Die offene, provokatorische Infragestellung von Autoritaeten, wie sie in Lindgrens "Pippi Langstrumpf" (1945, dt. 1949) anzutreffen ist, bleibt in dieser kinderliterarischen Epoche freilich die Ausnahme. Wir haben es dennoch mit einem kinderliteraturgeschichtlich bemerkenswerten Umschwung zu tun: Eine nicht-autoritaere Kinderliteratur geniesst mit einem Male eine breite gesellschaftliche Akzeptanz, waehrend gleichzeitig Kinderliteratur mit sichtbar autoritaeren Zuegen in Misskredit zu geraten beginnt. Die moderne Kinderliteratur, die auf Kindheit als eigenstaendigen wie autoritaetsfreien Raum abhebt, ist damit zur kinderliterarischen Normalitaet geworden.

Im westdeutschen und oesterreichischen Raum ist in den 50er und 60er Jahren eine reichhaltige Bluete moderner Kinderlyrik zu beobachten. In Anknuepfung an die Kinderlyrik des Biedermeier (Wilhelm Hey, Hoffmann von Fallersleben, Friedrich Guell) und der Jahrhundertwende (Paula und Richard Dehmel) tritt sie als naive kindliche Ausdruckspoesie auf, die insofern zugleich Naturlyrik ist, als allein die Natur dazu befaehigt ist, das kindliche Gemuet widerzuspiegeln. Die neue Kinderlyrik zeigt einesteils grosse Naehe zum volkstuemlichen Kinderreim (Friedrich Hoffmann: "Ole Bole Bullerjahn", 1957), greift andernteils Elemente der modernen Erwachsenen(Natur-)lyrik auf (Josef Guggenmos: "Lustige Verse fuer kleine Leute", 1956, "Was denkt die Maus am Donnerstag", 1967; Christine Busta: "Die Sternenmuehle", 1959; Elisabeth Borchers: "Und oben schwimmt die Sonne davon", 1965). Daneben entwickelt sich in Anknuepfung an Erich Kaestner ("Das verhexte Telefon", 1932) eine komische, bisweilen moritatenhaft groteske Kinderlyrik, die in erster Linie von James Kruess gepflegt wird ("Spatzenluegen", 1957, "Der wohltemperierte Leierkasten", 1961). Kruess foerdert zugleich die Nonsense-Poesie und das lyrische Sprachspiel, die jedoch erst ab Mitte/Ende der 60er Jahre Konjunktur haben (Hans A. Halbey: "Pampelmusensalat", 1965; Juergen Spohn: "Der Spielbaum", 1966, Michael Ende: "Das Schnurpsenbuch", 1969; Josef Guggenmos: "Gorilla, aergere dich nicht", 1971); hier kommt es auch zu einer Entdeckung von Morgenstern, desjenigen der "Galgenlieder", und von Ringelnatz.- Auf epischem Gebiet ragt James Kruess heraus, der mit seinen Helgolaender Erzaehlzyklen ("Der Leuchtturm auf den Hummerklippen", 1956, "Mein Urgrossvater und ich", 1959) die Kinderliteratur in die Tradition althergebrachter Erzaehlkunst einfuegt. Neben ihn tritt Otfried Preussler, dessen literarische Kindermaerchen und Kasperlgeschichten (neben der "Kleinen Hexe" etwa "Der kleine Wassermann", 1956, "Der Raeuber Hotzenplotz", 1962, "Das kleine Gespenst", 1966) zu auch international erfolgreichen Kinderbuchklassikern aufgestiegen sind, was ebenso fuer die bereits erwaehnten "Jim-Knopf"-Buecher (1960-62) Michael Endes gilt. Zeitverhafteter erscheinen demgegenueber die realistischen Kindererzaehlungen dieser Zeit (bspw. Heinrich Maria Denneborg: "Jan und das Wildpferd", 1957; Ursula Woelfel "Der rote Raecher", 1959, "Feuerschuh und Windsandale", 1961).

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7. Fuer die Kinder- und Jugendliteratur des westlichen deutschsprachigen Raums beginnt um 1970 eine neue Aera: Die Kinderliteratur tritt in eine "andere Moderne" ein, waehrend fuer die offizielle, die in den Kinderbuchverlagen erscheinende  Jugendliteratur keine "andere", sondern erstmals die Moderne als solche ueberhaupt aktuell wird. Letztere bediente sich bislang vornehmlich traditionaler, vormoderner literarischer Muster, blieb, was etwa ihre Auspraegung fuer maennliche Jugendliche anging, Abenteuerliteratur im weitesten Sinne des Worts. Ab den 70er Jahren nimmt sich die spezifische Jugendliteratur erwachsenenliterarische Texte zum Vorbild, die anderen Mustern folgen und im uebrigen laengst zur angestammten Lektuere Jugendlicher gehoeren: gemeint sind bspw. J. D. Salingers "The Catcher in the Rye" (1951; dt. 1954) oder Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." (1972). Eingeleitet ist damit ein grundlegender jugendliterarischer Paradigmenwechsel: Es kommt zur Uebernahme all der modernen Romanformen, die erwachsenenliterarisch seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zur Anwendung gelangten, wenn es um die literarische Verarbeitung der neuen, verlaengerten Adoleszenz ging - des Entwicklungs-, Bildungs- oder des Adoleszenzromans naemlich. Der "neue", moderne Jugendroman nimmt Teil an der Exploration der Schwierigkeiten einer Identitaetsfindung unter den Bedingungen der Moderne, statt seinen Lesern Ablenkung und Evasion anzubieten, wie es die traditionelle Jugendliteratur zu einem Grossteil getan hatte.

Bei der Kinderliteratur haben wir es demgegenueber mit zwei unterschiedlichen, ja, entgegengesetzten Auspraegungen von Modernitaet zu tun. Die moderne Kinderliteratur vor 1970 zielte ab auf die Autonomisierung von Kindheit als einer anderen, einer Gegenwelt. In den kindlichen Frei- bzw. Spielraeumen waren die (Markt-)Gesetze der Moderne suspendiert; es handelte sich also um die moderne Inszenierung einer Gegenmoderne. Die "andere Moderne" setzt nach Ulrich Beck dort ein, wo die Moderne auf die von ihr selbst hervorgebrachte Gegenmoderne uebergreift. Nichts anderes geschieht in der Kinderliteraturreform von 1970: Sie uebertraegt die Grundprinzipien der Moderne, in diesem Fall die modernen Grundrechte, nun auch auf die Kinder, die nicht mehr andere, sondern die gleichen Rechte wie die Erwachsenen besitzen sollen. Die neue Kinderliteratur ab 1970 ist eine Literatur der kindlichen Gleichberechtigung und reklamiert die allgemeinen Menschenrechte auch fuer Kinder. Das ihr zugrunde liegende Kindheitsbild hebt auf die Gemeinsamkeiten von Kindern und Erwachsenen ab. Die Betonung der Andersartigkeit von Kindern in der modernen Kinderliteratur vor 1970 wird jetzt als eine zwangsweise Infantilisierung empfunden, die nicht zuletzt auf eine Entmuendigung der Kinder hinauslaeuft.

In der neuen Kinderliteratur ab 1970 werden die Kinder aus den Freiraeumen, den teils exotischen Spiel- und Abenteuerwelten zurueckgeholt und ins wirkliche Leben gestellt, wo sie fuer ihre Menschenrechte eintreten sollen. Man nimmt sie "ernst", belaesst ihnen einen Entscheidungsspielraum, respektiert ihre Entschluesse, gewaehrt ihnen Mitsprache und Mitbestimmung, sieht in ihnen nicht mehr Befehlsempfaenger, sondern Verhandlungspartner. In der sog. "antiautoritaeren Kinderliteratur" (ca. 1968-1972) sind es die Kinder selbst, die sich all dies gegen den teilweise erbitterten, teilweise hilflosen Widerstand der Erwachsenen, der Vaeter vor allem, erkaempfen (Christine Noestlinger: „Wir pfeifen auf den Gurkenkoenig“, 1972). Die Kinder werden zu Bewohnern der Wirklichkeit, die ungeteilt eine der Kinder und der Erwachsenen ist und keinerlei idyllische Zuege mehr aufweist. "Wir lassen unsere Kinder", so Ursula Woelfel 1972, "nicht nur auf sonnigen Spielplaetzen und in hellen Klassenzimmern froehlich sein. Sie leben mit den Erwachsenen in einer Welt voller Konflikte und Disharmonien." Die wegweisende Kurzgeschichtensammlung "Die grauen und die gruenen Felder" (1970) dieser Autorin konfrontiert die kindlichen Leser mit der Vielzahl der sozialen und politischen Probleme dieser Welt - selbst auf die Gefahr hin, deprimierend zu wirken.

Mit der Verpflichtung auf die ungeteilte Wirklichkeit von Kinder und Erwachsenen verschwindet die bisherige Funktionsteilung von kindlichen Mittelpunkt- und erwachsenen Randfiguren. Die Erwachsenen werden nun auch mit ihren eigenen existentiellen Problemen zum Gegenstand der Kinderliteratur, die sich damit eine Fuelle neuer Themen erobert: Beziehungsprobleme der Eltern, Scheidung, Emanzipationsstreben und Berufstaetigkeit der Mutter, Arbeitslosigkeit des Vaters, Aggressivitaet, Alkoholismus und andere Suchtarten, schliesslich Behinderung, Krankheit und Tod, um nur einige zu nennen (Hans Petersen: "Jan Jansson, ein Junge mit Glueck", 1970, dt. 1971; Peter Haertling: "Das war der Hirbel", 1973, "Oma", 1975, "Fraenze", 1989; Tormod Haugen: "Die Nachtvoe­gel", 1975, dt. 1978; Guus Kuijer: "Erzaehl mir von Oma", 1978, dt. 1981; Ursula Fuchs: "Wiebke und Paul", 1982). Die neue Kinderliteratur mutet den kindlichen Rezipienten zu, die Probleme der mit ihnen lebenden Erwachsenen wahrzunehmen und zu verstehen. Ernst genommen wird sodann auch die kindliche Subjektivitaet, das Innenleben, die schwankenden Stimmungen, die Gefuehle, die Traeume und AEngste der Kinder. Die Muendigkeitserklaerung fordert und belastet die Kinder psychisch in erheblichem Masse, und so nimmt es nicht Wunder, dass deren Innenleben unausgeglichen, angespannt und zerklueftet ist. An die Stelle des unbekuemmerten, gaenzlich extrovertierten und ueberwiegend heiter ausgeglichenen kindlichen Gemuets aus der vorangegangenen Kinderliteraturepoche ist das introvertierte, das eigene, oft aufgespaltete und zerrissene Innenleben bewusst wahrnehmende Kind getreten, das sein Inneres mit aufgeschnappten Begriffen aus Psychologie und Psychoanalyse in Ansaetzen schon zu beschreiben weiss (Peter Haertling: "Benn liebt Anna", 1979; Gudrun Mebs: "Das Sonntagskind", 1983; Christine Noestlinger: "Olfi Obermeier und der OEdipus", 1984).

Zur Gleichberechtigung gehoert schliesslich auch das Anrecht der Kinder auf eine Literatur, die sich von der der Erwachsenen im Prinzip nicht unterscheidet. Die neue Kinderliteratur der 70er Jahre setzt die bislang geltenden stilistischen Konventionen ausser Kraft, um sich einer anderen, einer dezidiert erwachsenenliterarischen Stilistik zu befleissigen. Neben dem Imperativ, von Kinder als Menschen zu handeln, tritt der weitere, fuer Kinder nicht anders als fuer Erwachsene zu schreiben. Den hier stattfindenden Stilwandel darf man als einen nahezu vollstaendigen Traditionsbruch bezeichnen. Die Werke der neuen Kinderliteratur ab 1970 sind stilistisch nicht mehr so ohne weiteres als Kinderliteratur erkennbar. Die lyrischen Texte etwa einer Susanne Kilian, einer Christine Noestlinger oder eines Hans Manz erinnern in nichts mehr an das traditionelle, dem Liedhaften bzw. Sangbaren nahe, an Reimtechnik und strophischer Gliederung festhaltende Kindergedicht. Gebrochen wird ebenso mit den Traditionen kinderliterarischen (Geschichten-)Erzaehlens. Dass die moderne Kinderliteratur vor 1970 die althergebrachte epische Form des Erzaehlens wieder lebendig werden liess, machte einen wesentlichen Aspekt ihrer Gegenmodernitaet aus. Die neue epische Kinderliteratur der 70er Jahre stellt sich in formaler und stilistischer Hinsicht auf die andere Seite, auf die des modernen Romans und seinen im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelten komplexen Darstellungstechniken. Wir stossen in den neuen Kinderromanen und -kurzgeschichten auf die moderne Ich-Erzaehlung, das personale Erzaehlen, auf die Technik des inneren Monologs bzw. des Bewusstseinsstroms, auf Formen wie Montage und dokumentarische Collage. Zur bevorzugten Form der neuen erzaehlenden Kinderliteratur hat sich der psychologische Roman mit seiner Dominanz des inneren Geschehens und seiner auf Ich-Stabilisierung und Selbstfindung konzentrierten Thematik entwickelt.

Damit ist kinderliterarisch eine erneute Gemeinschaftlichkeit von Kindern und Erwachsenen erreicht. Von einem Rueckgang auf bzw. einer Wiederbelebung von kollektivistischen Lebensstilen vormodernen Charakters kann jetzt keine Rede mehr sein; wir haben es nun mit einer genuin modernen, d.h. vom Prozess der Modernisierung selbst hervorgebrachten Gemeinschaftlichkeit der Generation zu tun. Sie ergibt sich aus der UEbertragung eines der politischen Grundprinzipien der Moderne, des Gleichheitsgrundsatzes, auf einen Personenstand, der hiervon bislang ausgeschlossen war. In ihrer modernen Auspraegung besteht die Gemeinschaftlichkeit von Kindern und Erwachsenen nicht mehr aus einem konkreten generationsuebergreifenden Klassenschicksal, sondern einem abstrakten Egaltitaetsverhaeltnis, der abstrakten Gleichheit naemlich muendiger Subjekte.

Die Kinderemanzipationsideologie der 70er Jahre ist – insbesondere in ihren extremen Auspraegungen – mittlerweile selbst historisch geworden. In ihren grundlegenden Intentionen jedoch duerfte sie durch eine reale Veraenderung von Kindheit eine dauerhafte Fundierung und Absicherung erfahren haben. Ueber diesen Wandel kindlicher Lebenswelten besteht innerhalb der Sozialwissenschaften keineswegs Konsens, doch ist auffallend haeufig von einer Wiederannaeherung der Lebensalter die Rede - und zwar beiderseitig, d.h. Vorverlagerung traditionell erwachsener Eigenschaften und Verhaltensweisen in das Jugend- und Kindesalter wie Konservierung kindlicher bzw. jugendlicher Zuege im Erwachsenenalter, was Veranlassung gaebe, von einer Wiederaufhebung der historischen Trennung in verschiedene, relativ autonome Lebenswelten zu sprechen. An dieser Stelle sei nur ein Faktor herausgehoben, der bei der Aufhebung traditioneller Wissensgrenzen, die den Unterschied zwischen Kindheit und Erwachsenenstatus ganz wesentlich begruendeten, eine entscheidende Rolle spielt. Gemeint sind die audiovisuellen Medien, die die Zugangsbarrieren zu einer Fuelle von Wissensbereichen soweit herabsenken, dass bereits Kinder an politischen, sozialen, psychologischen, sexuellen etc. Diskursen prinzipiell teilhaben koennen, die zu pflegen bislang ein Privileg der Erwachsenen waren. Dass diese Wiederangleichung von zentralen Wissensbereichen und - vornehmlich freizeitkulturellen - Taetigkeitsfeldern nivellierend wirkt, zeigt sich auch auf literarischer Ebene: Die Kinderliteratur der letzten Jahrzehnte ist, vom Anfaenger- und Erstlesesektor einmal abgesehen, in ihrer Machart von der Unterhaltungsliteratur fuer Erwachsene nur wenig verschieden. Auch thematisch zeigt sie immer weniger Eigenstaendigkeit; sie partizipiert zunehmend an den allgemeinen, ernsten wie laeppischen Modethemen.

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8. Die Geschichte der Bundesrepublik wird zu Beginn der neunziger Jahre von einem politischen Ereignis gepraegt: Der Fall der Mauer (1989), die das Ende der DDR besiegelt, und die Wiedervereinigung (1990) ziehen einen Schlussstrich unter die unterschiedlichen Entwicklungen der beiden deutschen Staaten und auch ihrer jeweiligen nationalen Kinder- und Jugendliteratur. Dieses historische Ereignis wird verschiedentlich kinder- und jugendliterarisch thematisiert – und zwar sowohl DDR-Autorinnen und –Autoren (bspw. Klaus Moeckel Bennys Bluff oder Ein unheimlicher Fall, 1991; Gunter Preuss Vertauschte Bilder 1991; Jutta Schlott Kalter Mai 1993; Guenter Saalmann Ich bin der King 1997; Maria Seidemann An einem Freitag im Mai 1997)) wie von solchen aus dem Westen (bspw. Karin Koenig Ich fuehl mich so fifty-fifty 1991; Herbert Guenther Ein Sommer, ein Anfang, 1995; Karsten Stollwerck Du bist also der Meik 1995; Sobo [d.i. Sobo Sowobodnik] Lena wolkenlos 1998).

So einschneidend die sog. Wende fuer die deutsche Gesellschaft auch gewesen sein mag, der eigentliche Anstoss fuer die charakteristischen Veraenderungen der Kinder- und Jugendliteratur dieses Jahrzehnts geht von der allgemeinen Medienentwicklung aus, deren Auswirkungen sich bereits in den achtziger Jahren abgezeichnet haben. Die beschleunigt expandierenden sog. neuen Medien gewinnen eine wachsende Bedeutung fuer die Sozialisation und die Freizeit von Kindern und Jugendlichen. Zum einen erleben die Unterhaltungsangebote eine enorme Ausweitung (Vervielfaeltigung der Fernsehprogramme im Zuge des Auftretens privater TV-Sender, Computerspiele und Internetnutzung); zum anderen steigt die Medienausstattung der privaten Haushalte, insbesondere die der Kinderzimmer enorm an. Film und Fernsehen gehen in zunehmendem Masse dazu ueber, die eigenen Unterhaltungsangebote im Medienverbund zu vermarkten (Bilderbuch, Comic und erzaehlendes Begleitbuch zum Film, zur Fernsehserie  - bspw. Gute Zeiten – schlechte Zeiten; Marienhof; Buffy. Iim Bann der Daemonen; Dawson’s Creek; Schloss Einstein; Die Pfefferkoerner - (= sog. ‚tie-in-novelizations‘) und zum Computerspiel; von Medienstars und Fernsehmoderatoren (offiziell) verfasste Buchserien; Portraits von Popstars und Popbands; Fanromane; Begleitliteratur zu den Fernseh-Talks – bspw. Susanne Koppe: Das grosse Buch vom Tigerentenclub, 1999). Mit dem Auftreten dieser Neuerungen werden das Medium Buch bzw. die Kinder- und Jugendliteratur nicht ueberfluessig; sie erleben im Gegenteil einen Aufschwung: Die Auflagenhoehe unterhaltender Medienverbundtitel ist gewaltig. Allerdings zwingen die neuen Leitmedien moderner Unterhaltung – Film und Fernsehen - andere Medien zur Uebernahme einer Begleitfunktion: Innerhalb des Medienverbunds stellt das Buch fuer Kinder und Jugendliche nur noch ein Medium unter anderen dar. Die Kinder- und Jugendliteratur buesst ihre traditionelle Monopolstellung bei den jungen Lesern ein - zumindest als Freizeit- und Unterhaltungsangebot.

Angesichts der neuen Medienlandschaft ist die Kinder- und Jugendliteratur seit den neunziger Jahren gezwungen, ihre Position neu zu bestimmen und diejenigen Gebiete herauszufinden, auf denen sie noch eine gewisse kulturelle Eigenstaendigkeit zu bewahren vermag. Die Kinder- und Jugendliteratur wird sicherlich nicht in ihrer Gesamtheit zu einem Begleitmedium von AV-Unterhaltungsangeboten; ueberall dort aber, wo sie sich auf die moderne Unterhaltungskultur einlaesst, wird sie seitens der neuen Leitmedien erheblich unter Wandlungsdruck gesetzt. Bei diesen kinder- und jugendliterarischen Veraenderungen handelt es sich sowohl um einen literarischen Wandel: einen Wandel also der Inhalte und Themen, der literarischen Techniken und Formen, als auch um einen funktionalen Wandel, d.h. einen Wandel der Verwendungsweisen und Gebrauchsformen, schliesslich um einen systemischen Wandel, eine Veraenderung der Position wie des Status und der Abgrenzungen.

Die seit den neunziger Jahren stattfindenden medialen Umbrueche haben sich in der Gruppe der kindlichen und jugendlichen Konsumenten am nachhaltigsten ausgewirkt. Der Siegeszug der neuen Medien, die Einfuehrung der privaten Fernsehkanaele sowie die Verbreitung von Computer und Internet haben zu einer nachhaltigen Veraenderung des Medienkonsums, des Medienalltags und der Medienkompetenz gefuehrt. Auf nahezu allen Ebenen des Alltagslebens hat eine betraechtliche Vermehrung der Spassangebote stattgefunden. Diese Vorgaenge waren von solcher Auffaelligkeit, dass sie nicht bloss ins Zentrum kultursoziologischer Debatten gerueckt sind, sondern auch zum zentralen Epochenmerkmal des ausgehenden 20. Jahrhunderts erhoben wurden. Schlagworte wie „Erlebnisgesellschaft“, „Gesellschaft der Lebensstile“ oder „Spasskultur“ machten die Runde.

In der Medienwirkungsforschung wird die Gruppe der Kinder- und Jugendlichen als „early adaptors“ bezeichnet, weil sie zu den fruehesten Anwendern neuer Medien und neuer Unterhaltungspraxen zaehlen. Die Kinder- und Jugendliteratur hat es laengst nicht mehr bloss mit der Fernsehkinder-, sondern auch schon mit der Computer- und Internetgeneration zu tun – mit Leserschichten also, die eine gaenzlich veraenderte mediale Sozialisation durchlaufen haben. In dieser Generation haben sich die auditiven und audiovisuellen Medien wie mittlerweile auch der Computer als die primaeren Instanzen etabliert und dem Medium Buch eine zeitlich nachgeordnete und bedeutungsmaessig nachrangige Position zugewiesen.

Die ‘neuen’ Medien praegen bereits im fruehen Alter nachhaltig sowohl die Wahrnehmungsgewohnheiten wie die Unterhaltungsbeduerfnisse der Kinder, noch bevor diese erste (buch)literarischen Erfahrungen sammeln koennen. Die aeusserste Frontlinie der Medienkultur stellen gegenwaertig die Teletubbies – eine in England produzierte Zeichentrickserie fuer Klein- und Kleinstkinder – dar, deren durchschlagender Erfolg die These von der fruehen Erzaehl- und Vorlesekultur als dem unangefochtenen Ort poetischer Primaererfahrung als fragwuerdig erscheinen laesst. Im weiteren Verlauf der Sozialisation treten die ‘neuen’ Medien bedeutungsmaessig nicht etwa zurueck; sie behalten vielmehr eine dominante Position: Sie haben sich insbesondere im Bereich der kindlichen und jugendlichen Unterhaltungskultur als Leitmedien etabliert und sind in Gestalt von Computer und Internet dabei, sich als Leitmedien auch der neuen Lern- und Wissenskultur zu etablieren.

Der Einstieg in die Schriftkultur und die literarische Sozialisation bleiben allerdings nach wie vor an das Medium Buch gebunden. Allerdings verfuegen heutige Kinder im Schuleinstiegsalter bereits ueber eine weit entwickeltere Rezeptionskompetenz als fruehere Generationen und ueber einen grossen Fundus an medial vermittelten Geschichten und Fiktionswelten. Die vorgaengigen medialen Erfahrungen machen den Einstieg in die literarische Kommunikation sicherlich einfacher, doch hat diese mediale Verfruehung auch unguenstige Auswirkungen auf die literarische Sozialisation: Waren frueher das Lesenlernen und das Buecherlesen allein schon deshalb angesagt, weil einem sonst ein attraktives Freizeitangebot entging, sind Kinder heute durch die neuen Medien mit Unterhaltungsangeboten in solchem Masse versorgt, dass sie an weiteren, insbesondere an rein literarisch vermittelten Geschichten und Fiktionswelten keinen zwingenden Bedarf mehr haben. Die Huerde, die das Lesen von Buechern darstellt, zu ueberwinden, bestehen immer weniger Anreize, sind doch selbst die – klassischen wie modernen – Kinderbuchhelden und deren Abenteuer den kindlichen Rezipienten laengst aus den Medien bekannt. Die durch die audiovisuellen Medien enorm ausgedehnten kulturellen Praxen der vorliteralen Kindheit schwaechen also die Motivation der Kinder, sich dem neu hinzutretenden Medium 'Literatur' zuzuwenden.

Die kulturellen Leitmedien einer Epoche praegen deren grundlegende Wahrnehmungsweisen, Bildauffassungen und Darstellungstechniken. Davon sind in der Regel auch die anderen Kunstarten betroffen, die genoetigt sind, nach aequivalenten Realisierungen der jeweils dominierenden medialen Aesthetik zu suchen. Kinder- und jugendliterarisch bedeutet dies zunaechst einen weitreichenden Stilwandel: In der Uebernahme von Gestaltungsweisen und Darstellungstechniken des Films, des Fernsehens, der diversen Tontraegermedien, des Comic, des Computers, insbesondere des Computerspiels wie auch des Internets suchen die kinder- und jugendliterarischen Unterhaltungsangebote der juengsten Zeit einander foermlich zu ueberbieten. Das geht von der aeusseren und inneren Buchgestaltung nach der Aesthetik des Comic, des Filmstreifens oder der des PC-Bildschirms ueber die Nomenklatur der Texteinteilung - Track 1 bis X bspw. -, ueber ausgesprochen filmische, teils videoclipartige Darstellungstechniken mit harten Schnitten bis hin zu literarischen Imitationen der Bauform und inneren Gliederung von Filmen, Computerspielen oder Internetseiten.

Auf der Gattungsebene ergeben sich sowohl ein Positions- und Statusgewinn bereits eingefuehrter Unterhaltungsgenres, als auch ein Hinzutreten neuer Formate. Eine besonders auffaellige Erscheinung stellt die literarische Imitation neuer medialer Gattungsmuster – vornehmlich solcher des Fernsehens, des Computerspiels und des Internets – dar. Die Gattungspoetik der Fernsehunterhaltung darf mittlerweile nahezu unveraendert auf die populaere Kinder- und Jugendliteratur uebertragen werden: Wir haben es auch auf diesem Feld in wachsendem Masse mit Serienangeboten zu tun, die den daily soaps nachgebildet sind, darueber hinaus mit literarischen Sitcoms nicht allein fuer Jugendliche, sondern mittlerweile auch fuer Kinder. Die Verfasser der kinder- und jugendliterarischen daily soaps und Sitcoms – unter denen Christian Bieniek hervorzuheben waere; vgl. bspw. Immer cool bleiben, 1993; Svenja hat’s erwischt, 1994; Lacki Sisters – und ob!, 1997; Knutschen erlaubt, 2000 - haben uebrigens ihre Sporen oft als Drehbuch- oder Sketcheschreiber beim Fernsehen verdient. Seit langem schon auf dem Vormarsch sind die die Aliens- bzw. Mysteryserien (bspw. Chris Archer Alpha Kids 1997ff., dt. 2000ff.; Mathew Stone Mission X, 1998ff., dt. 2000ff.)- wie auch die Grusel- und Horrorserien fuer Kinder- und Jugendliche, die unverkennbar den jeweils korrespondierenden Film- bzw. TV-Serien verpflichtet sind – erwaehnt sei hier nur der amerikanische Erfolgsautor R.L.Stine (Gaensehaut. 1. Bd. Der Spiegel des Schreckens, 1993, dt. 1996; 34. Bd.: Die Geisterschule, 1997, dt. 1999; weitere Serien: Fearstreet, Schattenwelt und Gruselfieber), der Niederlaender Paul van Loon (u.a. Die Stunde des Vampirs, 1990, dt. 2001; Der Gruselbus, 4 Bde, 1991-98, dt. 1997-99), der OEsterreicher Franz F. Sklenitzka (Das geheimnisvolle schwarze Buch 1998, Hexenmonmd 1999) und die Deutschen Cornelia Funke (Gespensterjaeger 1996ff.) und  Kai Meyer (Sieben Siegel 1999ff.). Bei den galaktischen Abenteuerromanen (bspw. Werner J. Egli Die Rueckkehr zur Erde 2000; Andreas Eschbach Das Marsprojekt 2001;Thomas Feibel geriton 5, 2001ff.) und bei neuen Unterhaltungsgenres wie dem Computer- oder Internetkrimi (Thomas Feibel Computerkids auf heisser Spur 1999ff., Dieter Winkler Netsurfer 1999ff.; Andreas Schreiner Generation future, 2000ff.; Frank Stieper Sleepy Simon. Ein Hackerthriller, 2001) oder dem Cyberspace- und virtual reality-Roman (Chris Westwood Endstation Aphazone 1996, dt. 1999; Rhiannon Lassiter 2367 Experiment Hex 1998, dt. 2000; OErjan Persson The Great World Game. Ein Cyber-Roman 1998, dt. 2001; Ralf Isau Das Netz der Schattenspiele 1999; Frank Stieper Cybernetcity 2000) findet eher eine inhaltliche Bezugnahme auf die entsprechenden neuen Medien statt, waehrend bei so manchem Fantasy-Roman einschlaegige Computer- bzw. Rollenspiele Pate gestanden haben duerften (bspw. Andreas D. Hesse Weltenspringer: Das Schwert der Macht 2000), soweit sie nicht weitgehend der Tolkien-Tradition verpflichtet sind (bspw. Wolfgang und Heike Hohlbein Gralszauber 2000, Elbenschwert 2001; Wolfgang Isau Das Geheimnis des siebten Richters 1996). Eine noch direktere literarische Imitation von Computerspielen stellen die sog. interaktiven Krimis, Abenteuer- oder Fantasybuecher dar, bei denen sich der Leser per virtuellem Mouseclick gewissermassen seine Geschichte selber zusammenstellen kann (Morris/Thomson Sagaland 1995ff., dt. 1997ff.; Andreas D. Hesse AbenteuerSpieleBuecher: Das Grab des Ritters 1999, Das Spiel des Hexers 2000).

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10. Auf der Suche nach einer unersetzbaren Rolle in der Mediengesellschaft hat die Kinder- und Jugendliteratur einen neuen kinderliterarischen Funktionstyp hervorgebracht: die Erstlesebuecher und die ihnen korrespondierende Leseanfaengerliteratur - eine der auffaelligsten Neuerungen der letzten anderthalb Jahrzehnte. Angesichts des Funktionsverlustes im multimedialen Kinderalltag liegt es fuer die Kinderliteratur nahe, eine Funktion herauszustellen und publizistisch mit betraechtlichem Aufwand ins Spiel zu bringen, die unzertrennlich mit ihrem Charakter als Schriftmedium verknuepft ist: Mit Hilfe von Kinderbuechern kann man Lesen lernen und die Lesefaehigkeit vervollkommnen. Bei der Leseanfaengerliteratur handelt es sich zumeist um Geschichten bzw. kurze Erzaehlungen der unterschiedlichsten Art, praesentiert in Grossdruck und Flattersatz. Diese neue Buchgattung hat sich mittlerweile zu einem eigenstaendigen Programmteil zahlreicher deutschsprachiger Kinderbuchverlage entwickelt. Sie ist dabei, sich in immer kleinteiligere Lesestufen-Reihen zu differenzieren (bspw. im Oetinger Verlag „Laterne Laterne“ fuer Leseanfaenger und „Sonne, Mond und Sterne“ fuer das erste Lesealter; im Loewe Verlag „Leseluchs“, „Lesespatz“ und „Lesetiger“). Die zunehmend aufwendige Gestaltung der Erstlesereihen - mittlerweile sind alle farbig illustriert - ist ein untrueglicher Beleg fuer deren grossen Absatz.

Die Funktion, einen Einstieg in die Schriftkultur zu bieten, uebte Kinderliteratur schon immer aus, doch hatte es bislang niemand fuer erforderlich gehalten, diesen Begleit- oder Nebeneffekt der Lektuere von Kinderbuechern eigens herauszustellen, geschweige denn dafuer eine eigene Buchgattung zu entwickeln. Der Kampf ums Ueberleben in der Mediengesellschaft noetigt der Kinderliteratur ungewoehnliche Schritte ab: Die Belletristik bietet sich naemlich mit Herausbildung der Erstlesebuecher als wirksames Mittel fuer einen Zweck an, der gaenzlich ausserhalb ihrer selbst als schoener Literatur liegt. Das hoechst prosaische Ziel, dem sie mit dieser Buchgattung zu dienen gewillt ist, heisst: Herausbildung einer nicht primaer literaturbezogenen, sondern einer allgemeinen basalen Lesekompetenz. Ueber eine solche Lesekompetenz muss im Zeitalter des Computers und der weltweiten Kommunikationsnetze nahezu ein jeder verfuegen - ganz unabhaengig davon, ob er mit schoener Literatur etwas anfangen kann. Lernte man, ueberspitzt gesagt, zuvor Lesen nicht zuletzt auch deshalb, um in die Welt der Literatur einzudringen, so liest man jetzt Literatur, um Lesen zu lernen. Oft ist der literarische Wert der einschl. Texte dementsprechend. Dennoch finden sich unter den Leseanfaengergeschichten auch solche, die literarische ueberzeugen und zum Lesen von Literatur verlocken (Christine Noestlinger Geschichten vom Franz 1984ff, Gesammelt in: Allerhand vom Franz 1991; Hans Peterson: Anna, 7 Jahre. Alle Anna-Geschichten in einem Band 1992, dt. 1994; Mirjam Pressler Geschichten von Jessi 1987ff., gesammelt 1999; Paul Maar Das kleine Kaengeruh auf Abenteuer 1989ff., gesammelt in: Das kleine Kaengeruh und seine Freunde 1991; Kirsten Boie Lena...1994ff.).

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Ehemals Sachbuch, jetzt Informationsliteratur:

Die Chance, in der Mediengesellschaft noch eine wahrnehmbare Rolle von gewisser Eigenstaendigkeit zu spielen, ist fuer die Kinder- und Jugendliteratur um so groesser, je mehr sie sich von den auf Breite zielenden Unterhaltungsangeboten entfernt, die inhaltlich und stilistisch weitgehend von den AV-Medien dominiert werden. Aus diesem Bemuehen ist es abzuleiten, dass die informatorische Funktion von Kinder- und Jugendliteratur aufs neue in den Vordergrund gestellt wird. Tatsaechlich nutzen Kinder und Jugendliche Buecher zunehmend als Informationsquelle; von ihnen wird verstaerkt Informationsvermittlung erwartet. So hat die Sachliteratur – unter Einschluss von Nachschlagewerken speziell fuer Schueler – einen neuerlichen Bedeutungszuwachs erlebt; deren Anteil am deutschen Kinderbuchmarkt ist auf ueber 20 % gestiegen.

Von der wachsenden Bedeutung informatorischer Lektuere wird auch die Belletristik beruehrt: Eine Vielzahl von Kinder-, mehr noch von Jugendromanen weist einen staerker informierenden und analysierenden Charakter auf, was sich in einem Wandel der Erzaehlformen hin zum Dokumentar-, zum Recherche- und journalistischen Enthuellungsroman niederschlaegt (Thorsten Naeter Die Bombe tickt 1993; Hetmann/Tondern Die Nacht, die kein Ende nahm. In der Gewalt von Skins 1994; Lutz von Dijk Von Skinheads keine Spur 1995); dem entspricht es, dass unter den Kinder- und Jugendbuchautoren Journalisten und Medienmacher an Zahl gewinnen. Die Grenzen zwischen fiktionalen und expositorischen Texten verwischen sich, weil die moderne Informationsliteratur Darstellungsstrategien aus beiden Textklassen benutzt. So koennten etwa die bislang noch im Belletristik-Bereich angesiedelten „Themen-“ oder „Problembuecher“ zusammen mit den thematisch entsprechenden, bislang so genannten Sachbuechern eine eigene Buchgruppe bilden (mit historischen Themen bspw. Christa Maria Zimmermann Die Nacht, als die Titanic sank 1998 – parallel uebrigens zum Film -; Die letzte Fahrt der Hindenburg 2000).

Auch auf diesem Feld bekommt die Kinder- und Jugendliteratur die Konkurrenz eines neuen Mediums zu spueren: die naemlich der CD-ROM. Es laesst sich jedoch feststellen, dass es dem Handlungssystem 'Kinder- und Jugendliteratur' in ansehnlichem Masse gelungen ist, dieses neue Medium zu integrieren. Fuer junge Leser produzierende Sachbuchverlage bzw. solche mit einem Sachbuchprogramm sind dazu uebergegangen, ihre Buchangebote auch auf CD-ROM anzubieten bzw. eigenstaendige CD-ROMs zu produzieren.

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Anspruchsvolle Kinder- und Jugendliteratur im Wandel

Neben den Bereichen, in denen die Kinder- und Jugendliteratur sich unter Aufgabe einer gewissen kulturelle Eigenstaendigkeit den neuen Leitmedien untergeordnet hat, existiert weiterhin ein Sektor in multimediale Verbundsysteme nicht einbezogener Belletristik fuer Kinder und Jugendliche. Deren Spielraum ist freilich schmaler geworden. Die Eigenstaendigkeit realisiert sich hier durch eine merkliche kulturelle Distinktion, durch eine Absetzung naemlich von den Verfahrensweisen und Praktiken der populaeren massenmedialen Unterhaltungsangebote. Die anspruchsvolle Kinder- und Jugendliteratur ist nicht erst seit den 90er Jahren durch eine Annaeherung an Darstellungsintentionen und Darstellungstechniken der anspruchsvolleren modernen Erwachsenenliteratur gekennzeichnet. Man muss im neuen anspruchsvollen Kinderroman wie auch im modernen und postmodernen Jugend- bzw. Adoleszenzroman auch einen neuen kinder- und jugendliterarischen Funktionstyp sehen. Beduerfnisse nach vordergruendiger Komik, nach Spannung und Action, nach Exotik und Evasion werden von Texten dieser Art nur noch beilaeufig befriedigt – und zwar nicht unbedingt deshalb, weil diese als 'niedrige' Vergnuegen verabscheut, sondern weil diese Beduerfnisse foermlich im Uebermass durch die Angebote der audiovisuellen Medien und die daran anknuepfenden Medienverbundtitel bedient werden. Eine davon sich absetzende anspruchsvolle Kinder- und Jugendliteratur kann nicht anders als sich auf die Befriedigung sublimerer literarischer Beduerfnisse zu spezialisieren. Tatsaechlich mutet diese Literatur ihren jungen Lesern bereits das Vergnuegen an ernsten, ja, tragischen und tragikomischen Gegenstaenden zu. In der Abgabe elementarer und der Einschraenkung auf sublime Unterhaltungsfunktionen holen Texte dieser Art im kinder- und jugendliterarischen Horizont eine Entwicklung nach, der in den nordeuropaeischen Laendern allgemeinliterarisch bereits um 1800 eingesetzt hatte: Gemeint ist die Absetzung einer anspruchsvollen sog. ‚Hochliteratur‘ von einer breiten Unterhaltungsliteratur. Es ist erst die Mediengesellschaft, die innerhalb der Kinderliteratur eine vergleichbar markante Distinktion, ja, Polarisierung von unterhaltenden und anspruchvolleren Titeln veranlasst und durchsetzt.

Als anspruchsvolle und innovative kinder- und jugendliterarische Gattungen haben sich in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der moderne psychologische Kinderroman und der – zumeist gleichfalls psychologische - moderne Jugend- oder Adoleszenzroman etabliert. Der Zeitraum von Mitte der siebziger bis Mitte der neunziger Jahre darf in kinder- und jugendliteraturgeschichtlicher Hinsicht als Periode der Erprobung formaler, inhaltlicher und thematischer Spielraeume und der gattungsmaessigen Ausdifferenzierungen anspruchsvoller, der Erwachsenenliteratur naher Kinder- und Jugendliteratur gelten. Als spezielle Weiterentwicklungen in den spaeten 80er und fruehen 90er Jahren lassen sich auf der einen Seite die staerkere Oeffnung des modernen, bislang ueberwiegend ernsten Kinder- und Jugendromans fuer verschiedene Elemente des Komischen ausmachen, ohne dass freilich der Daseinsernst moderner Kindheit bzw. Adoleszenz ausgeblendet wuerde. Es spricht deshalb einiges Dafuer, diese neue Auspraegung anspruchsvoller Kinder- und Jugendliteratur als tragikomisch zu bezeichnen. Auf der anderen Seite laesst sich eine verstaerkte Rueckkehr idyllische Elemente beobachten, die lange peinlich gemieden wurden. Auch hier werden die bedrueckenden Seiten des kindlichen bzw. jugendlichen Alltags nicht wegretouchiert, so dass diese Idyllen durchweg einen gebrochenen Charakter aufweisen. Man koennte von beschaedigten Idyllen sprechen.

Dem Wiedererstarken der Komik entspricht gattungsmaessig die Wiederbelebung des – auch auf kinder- und jugendliterarischer Ebene – traditionsreichen Pikaro- bzw. Schelmenromans. Ein Blick auf die hier in Frage kommenden Titel laesst jedoch eine Reaktivierung der Traditionskategorie der Lausbuben- bzw. der Lausemaedchengeschichte als fragwuerdig erscheinen (Kirsten Boie Moppel waere gern Romeo 1991, Ich ganz cool 1992; Soeren Olsson/Anders Jacobsson Berts gesammelte Katasprohen dt. 1990 [weitere 10 Folgen];Helmut Sakowski Wie brate ich eine Maus 1993, Prinzessin, wir machen die Fliege 1993, Munzo und ich 1996; Ulf Stark Percys Turnschuhe 1991, dt. 1993, Percys Wunder 1995, dt. 1996; Willy von Doorselaer Ich heisse Kaspar 1993, dt. 1995). Die Rueckkehr des Idyllischen ist vornehmlich im Kinderroman anzutreffen, wo nicht zuletzt auch poetisierende Naturschilderungen wieder als zulaessig erscheinen. Hier kommt es zu durchaus ueberzeugenden Wiederbelebung ehedem beliebter kinderliterarischer Gattungen wie der Dorfgeschichte oder der Ferienerzaehlung. Als Inbegriff einer modernen, gebrochenen Kinderidyllik kann die Eddie-Trilogie der Schwedin Viveca Sundvall gelten (Eddie und Maxon Jaxon 1991, dt.1992, Alles wegen Valentino 1992, dt.1993 und Johanna, die beste Freundin der Welt 1993, dt.1994). Neben Uebersetzungen aus dem Skandinavischen Bereich erweisen sich solche aus dem Niederlaendischen bzw. Flaemischen als stilbildend (bspw. Sjoerd Kuyper Robins Sommer 1990, dt. 1995, Robin bekommt eine Schwester 1993, dt. 1996, Robin im Kindergarten 1996, dt. 1997; Wouter Klootwijk Adris Bruecke 1990, dt. 1993; Henri van Daele Grosser Baer, kleiner Baer 1993, dt. 1996, Kleiner Baer im Fruehling 1993, dt. 1997; als Beispiel fuer einen jugendliterarischen Dorfroman Henri von Daele Ti 1996, dt. 1999). Als deutscher Beitrag seien hier die Katja Henkelpott-Erzaehlungen von Helmut Sakowski (Katja Henkelpott 1992, Katja Henkelpott und die Schlangenkoenigin 1995, Katja Henkelpott kommt in die Schule 1998) und die Buecher von Marjaleena Lembcke genannt (u.a. Zeit der Geheimnisse 1995, Als die Steine noch Voegel waren 1998)

Der ernste psychologische Kinderroman konzentriert sich inhaltlich wie thematisch sehr oft auf die Familie, wobei zumeist problematische Familienverhaeltnisse geschildert werden (Kirsten Boie Mit Kindern redet ja keiner 1990; Sylvia Cassedy Lucys Haus.1989, dt.1991; Dagmar Chidolue Pischmarie 1990; Dreesen Jaak Tausend Sterne 1990, dt. 1994; Peter Haertling Lena auf dem Dach 1993; Patricia MacLachlan Schere, Stein, Papier. Sophies Geschichte 1993, dt. 1994; Mirjam Pressler Wenn das Glueck kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen 1994; Renate Welsh Eine Krone aus Papier 1992, Disteltage 1996;) oeffnet sich in den neunziger Jahren zunehmend fuer komische Stilmittel. Zu unterscheiden waere dabei zwischen dem rein komischen und dem tragikomischen Familienroman; bei letzterem verschweigen die Autoren zwar die zugrunde gelegte ernste Thematik nicht, gestalten die Erlebnisse der kindlichen Protagonisten aber in humorvoller und komischer Weise (Kirsten Boie Nella-Propella 1994; Anne Fine Mrs. Doubtfire. Das stachelige Kindermaedchen dt. 1994; Peter Haertling Mit Clara sind wir sechs 1991; Christine Noestlinger Einen Vater hab ich auch 1994; Uwe Timm Rennschwein Rudi Ruessel 1989).

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Themenvielfalt und Wirklichkeitserkundung:

Auch noch in den neunziger Jahren bleiben zahlreiche Werke der Kinder- und Jugendliteratur dem sozialkritischen Realismus treu und verfolgen weiterhin die teils nachhaltigen Veraenderungen kindlicher und jugendlicher Lebenswelten. Zu beobachten ist dabei eine erneute Erweiterung des Kanons aufgegriffener Problemfelder: inzestuoese Beziehungen und sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der Familie (Heidi Hassenmueller Zuckerpueppchen – was danach geschah 1992; Juergen Banscherus Davids Versprechen 1993; Heike Brandt Wie ein Vogel im Kaefig 1992; Heiko Neumann Schweigemund 1994; Katrin Ludwig Suesse Lust Tochter 1993; Elisabeth Reuter Merle ohne Mund 1996; Doerte Damm Der Wolf ist tot 1998); homosexuelles und lesbisches Coming out (Doris Meissner-Johannknecht Leanders Traum 1994 und Amor kam in Leinenschuhen 1993; Marliese Arnold Einfach nur Liebe 1996; Werner J. Egli Rosys Liebe 1997; Mirjam Muentefering Flug ins Apricot 1999; Joachim Helfer Du Idiot 1994; Martin Hofmann Innerlich fremd 1995; Jana Frey Ich nenn es Liebe 1997; ). Auch Darstellungen von Gewalt unter Schuelern bzw. (Michael Wildenhain Wer sich nicht wehrt 1994; Elisabeth Zoeller Und wenn ich zurueckhaue? 1994; Renate Welsh Jetzt bist du dran 1994 ), Auslaenderfeindlichkeit und Rechtsradikalismus (Kirsten Boie Erwachsene reden. Marco hat was getan 1994; Marie Hagemann Schwarzer Wolf Skin 1993; Dieter Bongartz Makadam – Chronik eines Mordes 1997; Gunther Preuss Stein in meiner Faust 1993) und die Probleme einer multikulturellen Gesellschaft werden von der Kinder- und Jugendliteratur weiterhin verhandelt, wobei sowohl die Integrationsprobleme auslaendischer Kinder in der deutschen Gesellschaft (Hansjoerg Betschart Soheila oder ein Himmel aus Glas 1993; Carolin Philipps Im Supermarkt gibt’s keine Bueffel 1991; Angelika Mechtel Flucht ins fremde Paradies 1990), als auch die Probleme der Kinder in ihren Heimatlaendern darstellen (Alex Tekinay Engin im Englischen Garten 1990; Ghazi Abdel-Qadir Abdullah und Ich 1991, Die sprechenden Steine 1992). Thematisch kennt auch die Kinderliteratur der neunziger Jahre keine Tabus; sie bewaehrt sich weiterhin in Zeitdiagnose und literarischer Wirklichkeitserkundung.

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Postmoderner Jugend- und Adoleszenzroman:

Der moderne Jugend- und Adoleszenzroman hat sich als bedeutende jugendliterarische Gattung in den neunziger Jahren endgueltig etabliert. Vor dem Hintergrund des rasanten kulturellen Wandels und der Erfahrung von zunehmender Individualisierung und Pluralisierung in der Risiko- und Erlebnisgesellschaft bildet sich der Typus des postmodernen Jugend- und Adoleszenzromans heraus. Dessen Merkmale sind stilistischer wie inhaltlicher Art: zitathaftes Spiel mit unterschiedlichsten literarischen Motiven und Konventionen (Collagetechnik, Intertextualitaet), Verzicht auf kohaerente Sinnkonstruktion, Aufsprengung einer linearenen Handlungsfolge in zahlreiche mehr oder weniger fragmentarische Einzelepisoden, haeufig erzaehlt aus wechselnden Perspektiven und inhaltliche Tabu- und Normbrueche (Sexualitaet, Drogenexzesse). Identitaetsfindung, Autonomie und Persoenlichkeitsentwicklung als Ziel einer gelingende Adoleszenz wird in diesem Typus in Frage gestellt (Blake Nelson Cool Girl 1994; dt.1997; Alexa Hennig von Lange Relax 1997; Irvine Welsh Trainspotting 1993; dt.1996 und Ecstasy 1996; dt.1997; Enrico Remmert Loove Never Dies 1998).

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webmaster: Christian D. Uhlmann, letzte Bearbeitung: 23.01.2005